Autor: admin
Datum objave: 28.09.2020
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'Don Carlos' Kulturkampf statt Corona-Blues

Spiel der Masken: Eboli und Elisabeth beim Rollentausch, der vor allem für Eboli keine schöne Erkenntnis in Sachen Liebe bringt

'Don Carlos'

Kulturkampf statt Corona-Blues



https://orf.at/stories/3182981/



Nicht die Coronavirus-, sondern die Verdi-Ampel steht seit Sonntagnacht in Wien auf Rot. Zumindest bei den Hütern der „reinen Lehre“ in der Wiener Staatsoper. Ihnen ist Peter Konwitschnys wiederaufgenommene Kultinszenierung von Giuseppe Verdis „Don Carlos“ auch 16 Jahre nach der Erstaufführung immer noch ein Dorn im Auge: An der Szene „Ebolis Traum“ im zweiten Teil entzündete sich ein wahrer Kulturkampf – mit langen Buhrufen und demonstrativem Applaus. Fast möchte man erleichtert sein, dass endlich wieder die Kultur die Stadt erregt.
Ein fünfstündiger Opernmarathon ist eine Ansage in diesen Tagen. Die Staatsoper traute sich über die 2004 restaurierte Originalversion von Verdis Pariser „Don Carlos“-Version drüber, erneut unter der musikalischen Leitung des damaligen Chefrestaurateurs Bertrand de Billy. Man ging mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen in den Abend, etwa, dass in Pausenbuffets nur noch im Sitzen und auf Vorbestellung konsumiert werden durfte; und auch sonst jede Bewegung in der Oper von den Saalmitarbeitern mit höchster Aufmerksamkeit wahrgenommen wurde.
Dass fünf Stunden mehr als kurzweilig sein können und gerade diese Inszenierung trotz der Mächtigkeit des Stoffes und Verdis Lust, jedes Körnchen seines Opernpulvers zu zünden, auch neue Publikumsschichten für das Fach Oper begeistern könnte, wurde an diesem Abend deutlich. Mit Jonas Kaufmann stand der von vielen als momentan weltbester Tenor apostrophierte Sänger auf der Bühne. Wie wenig solche Zuschreibungen freilich tragen, wurde gerade durch die starken, teils herausragenden Leistungen des Ensembles deutlich. Und alle, die an diesem Abend sangen, hatten zudem Haus- oder Rollendebüts.


Malin Byström als Elisabeth de Valois sang ebenso zum ersten Mal am Ring wie Igor Golovatenko, der das gesamte Publikum in der Schlüsselrolle des Marquis de Posa auf seine Seite zog. Und dann war da noch die junge Mezzosopranistin Eve-Maud Hubeaux, die als Eboli von Anfang an so viel Bühnenpräsenz entwickelte, dass man unsicher werden konnte, wer denn hier die Königin auf der Bühne sei.
Das gemischte Wiener Urteil
Wien ist jedenfalls generös dabei, die Neuen und Jungen an der Rampe zu akklamieren, was nicht schwer ist an einem Abend, an dem so furios und formidabel gesungen wird. Bei der Beurteilung der Regie geht ein tiefer Graben durch das Haus am Ring. Man darf beim Blick auf den Saalplan nur ein Mal raten, wo die Skeptiker zu Hause sind. Konwitschnys Inszenierung muss man auch nicht in jedem Aspekt gut finden, etwa, wenn er Ebolis Traum von der großen Bühne der Macht in einem aus den Tiefen des Bühnendunkels hineingeschobenen Slapstick-Guckkasten im Kleinbürgerdekor stranden lässt.


Auch kann man bei den Querverweisen zu eingeblendeten Massenerschießungen anderer Meinung sein, zumal ja schon das auf Schiller beruhende Drama alle Fragen zur Handlungsethik und Machtkorrumpierung durchdekliniert.
Eine Inszenierung mit vielen Lesarten
Konwitschnys Leistung besteht ganz im Sinne der dramaturgischen und musikalischen Gestaltung dieser Oper wohl darin, deren Vielschichtigkeit leuchten zu lassen. Da ist bei Verdi die Geschichte der Liebe zwischen Carlos und Elisabeth von Valois, deren frühe Bildung man, anders als bei Schiller, bereits in den Wäldern von Fontainebleau mitverfolgt (auch wenn der Anfang dieser Romanze nach dem Schnittmuster funktioniert: Mann zu Frau: „Ich liebe dich schon immer.“ Frau: „Oh, ich kenne dich noch gar nicht.“).


Am Ende werden beide bekanntlich mit einem Weg Richtung Himmel zur empfindsamen Zweisamkeit geführt, die ihnen durch die Machtpolitik auf Erden verwehrt blieb. Kleiner Gag im Finale: Der Geist von Karl V. in Mönchskutte (Dan Paul Dumitrescu) erteilt seinem Sohn Philipp II. (Michele Pertusi) didaktisch das, was in Wien lange als „gsunde Watschn“ bezeichnet wurde. Auch so kann man fünf Stunden andauernder Mordgelüste zwischen Vater und Sohn beschließen.
Ein Festspiel für den Marquis de Posa
Für die thematische Gestaltung dieser Oper zentral ist aber die Figur des Marquis de Posa, auf den bereits Schiller alle Tugenden der Aufklärung zwei Jahr vor Ausbruch der Französischen Revolution projizierte. Verdi, der ja gerade zur Zeit der italienischen Einigung komponiert, übernimmt die erfundene Figur des Marquis und überhöht sie zur Idealgestalt: Posa ist der treue Freund – und er ist der politische Visionär und Utopist, der „das gemeinsame Projekt“ mit Carlos, die Rettung Flanderns, vorantreiben will.


Für seinen Freund opfert sich Posa – und er ist es auch, der dem nach politischer Stabilität ringenden Philipp II. die rhetorische Frage stellt: „Wer kann die Geschichte der Menschheit aufhalten?“ „Ich“, antwortet der spanische König daraufhin – muss aber bald die eigene Torheit und Abhängigkeit von Kirche und Inquisitionstribunal eingestehen. Hier liegt sicher das Kerninteresse der Inszenierung Konwitschnys: Wie verkommt der Machtstaat – und wie zehrt er sich an sich selbst auf?


Carlos und Posa sind die Gegenfolien zur Selbstverfallenheit der absoluten Staatsmacht. Posa mit der klaren Vision, Carlos daneben als der etwas tollpatschige Held, dessen Telos allein die Überwindung seines gebrochenen Herzens zu sein scheint. Bezeichnend, dass an diesem Abend Golovatenko als Posa den meisten Applaus erhält: Er überzeugt einfach in jeder Hinsicht in diesem Setting. Er ist das Opfer einer Revolution, die noch nicht da ist – und die hier, ganz im Sinne des Historikers Reinhard Koselleck, schon vor ihren eigenen Fallstricken warnt.


Szene aus „Don Carlos“


Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn


Spiel der Masken: Eboli und Elisabeth beim Rollentausch, der vor allem für Eboli keine schöne Erkenntnis in Sachen Liebe bringt


Die Verfallenheit der Macht
Elisabeth von Valois versucht sich in dieser Figurenaufstellung als Vertreterin der Verantwortungsethik. Für den Frieden ihres leidgeprüften Volkes lässt sie sich auf die gewünschte Heirat mit dem König von Spanien ein – und wird am Hof Zeugin des Verfalls der Macht. Ihr tragisches Pendant ist die Prinzessin Eboli, die so fiebrig in Carlos verliebt ist, dass sie die auf Vernunft und Ausgleich gepolte Königin ans Messer liefert, weil sich Carlos ausschließlich für Elisabeth interessiert. So gerät Ebolis Tat zur paradoxen Intervention für Elisabeth: Erst nach der Intrige kann auch sie zur Mission ihres Herzens stehen und Carlos unendlich Liebe nach dem Tod schwören. Ein bisschen zu vernünftig wirkt Byström als Elisabeth in dieser Herzensmission, zumal neben ihr eine von Elementarkräften getriebene Eboli werkt.


Im Schlussapplaus des Abends wurde schließlich auch der Kulturkampf um die eingeschobenen Verfremdungen beigelegt. Man begriff, dass hier in der Mitte der Oper offenkundig ein Stellvertreterspektakel gezündet wurde. Da ja nur die Sängerinnen, Sänger, Chor und Orchester zur Akklamation zur Verfügung standen, nicht aber die Regie, musste offenkundig an anderer Stelle das Geschmacksurteil gefällt werden. Auch das ist an diesem Abend nachhaltig gelungen.


Gerald Heidegger, ORF.at






Celebrated musical implementation after five hours. From left: Robert Bartneck (Herald), Dan Paul Dumitrescu (monk), Igor Golovatenko (Rodrigue, Marquis de Posa), Michele Pertusi (Philippe II.), Jonas Kaufmann (hidden, Don Carlos), Bertrand de Billy, Malin Byström ( Elisabeth de Valois), Eve Maud-Hubeaux (Eboli), Johanna Walroth (Voice from Heaven), Virginie Verrez (Thibault), Roberto Scandiuzzi (Grand Inquisitor) and the ensemble of the Staatsoper Chorvereinigung


Igor Golovatenko 


https://www.bolshoi.ru/en/persons/opera/1393/


Igor Golovatenko - La Traviata - Di provenza il mare


https://www.youtube.com/watch?v=wSEUAnoWMpA


Igor Golovatenko - Il trovatore - II balen del suo sorriso


https://www.youtube.com/watch?v=BJiLWWG7rx0


Igor Golovatenko, 'Ah per sempre io ti perdei... Bel sogno beato', I puritani (Bellini)


https://www.youtube.com/watch?v=0TPEoUsd5uc


Michele Pertusi 

https://en.wikipedia.org/wiki/Michele_Pertusi


Michele Pertusi - bass - G. Verdi - Simon Boccanegra


https://www.youtube.com/watch?v=MBJYMQoK5r8


Michele Pertusi - Guillaume Tell - Sois immobile


https://www.youtube.com/watch?v=RFAyVAA5kPw


Vieni, la mia vendetta - Michele Pertusi (Lucrezia Borgia-Donizetti)




https://www.youtube.com/watch?v=qlMc-WvjUmA



Jonas Kaufmann 


https://www.jonaskaufmann.com/en/


Jonas Kaufmann - Wien, Wien, nur du allein - Live from Vienn


a
https://www.youtube.com/watch?v=y9s9I3IFJIk


Malin Byström


https://en.wikipedia.org/wiki/Malin_Bystr%C3%B6m


Bakom rösten – Malin Byström


https://www.youtube.com/watch?v=He-Vq0i8ZuY


Don Giovanni - Or sai chi l'onore - Malin Byström


https://www.youtube.com/watch?v=lmP6lFFuFA4



Ève-Maud Hubeaux


https://fr.wikipedia.org/wiki/%C3%88ve-Maud_Hubeaux


Eve-Maud Hubeaux sings Eboli in wheelchair


https://www.youtube.com/watch?v=nZgo3YBE5O4


Eve-Maud Hubeaux - Concorso Internazionale di Canto "Renata Tebaldi" 2013


https://www.youtube.com/watch?v=mUSI1YNdWpg




Roberto Scandiuzzi 


https://en.wikipedia.org/wiki/Roberto_Scandiuzzi


ROBERTO SCANDIUZZI Mozart DON GIOVANNI " Serenata"


https://www.youtube.com/watch?v=6yh7vJMU_jc


G. Verdi: Don Carlo, Ella giammai m’amò


https://www.youtube.com/watch?v=TejCIVZdj_w
Conductor: Francesco Pasqualetti
Bass: Roberto Scandiuzzi


Son io dinanzi al re - SCANDIUZZI e BURCHULADZE - 16.12.2004 Florence


https://www.youtube.com/watch?v=WjrzqXPCA7M
Giuseppe Verdi (1813-1901)
Don Carlo
"Il grand'Inquisitor...Son io dinanzi al re"
Filippo II - ROBERTO SCANDIUZZI
Il Grande Inquisitore - PAATA BURCHULADZE
Il Conte di Lerma - Enrico Cossutta
Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino
ZUBIN MEHTA



RECITAL ROBERTO SCANDIUZZI (2001-02)


https://www.youtube.com/watch?v=NDlpzGHw2Ig


Bertrand de Billy


https://en.wikipedia.org/wiki/Bertrand_de_Billy








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